Autogenes Training
Autogenes Training ist nach wie vor eine der verbreitetsten Methoden zur Entspannung, zum Stressabbau und Harmonisierung des Organismus. Es ist eine Form vereinfachter und standardisierter Selbsthypnose, die von dem Berliner Psychiater Johannes Heinrich Schulz in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts aus der Hypnose entwickelt wurde. In der sogenannten Grundstufe werden sieben Grundübungen benutzt:
1 Ruhe
2 Schwere
3 Wärme
4 Atem
5 Herz
6 Sonnengeflecht
7 Kopf
Die Suggestionen
Die Übungen werden Schritt für Schritt in der Reihenfolge der obigen Liste erarbeitet und geübt. Eine Übung baut auf die andere auf. Zu jeder Übung gibt es Autosuggestionen, die man sich selbst je 6 Mal vorsagt:
RUHE
„Ich bin vollkommen ruhig und entspannt.“
SCHWERE
„Mein rechter Arm ist ganz schwer.“
WÄRME
„Mein rechter Arm ist angenehm warm.“
ATEM
„(Mein) Atem geht ruhig und gleichmäßig.“
HERZ
„(Mein) Herz schlägt ruhig und regelmäßig.“
SONNENGEFLECHT
„Mein Sonnengeflecht (mein Bauch, mein Leib) ist strömend warm.“
STIRN/KOPF
„Meine Stirn ist angenehm kühl.“ (Meist nur 3 Mal empfohlen.)
Zum Ablauf und Aufbau autogenen Trainings
Früher beschränkte sich die Schwere- und Wärmeübung auf den rechten Arm. Von diesem ausgehend beobachtete man dann mit zunehmender Praxis eine Generalisierung von Wärme und Schwere auf den restlichen Körper. Inzwischen ist es oft üblich, nach dem rechten Arm auch den linken Arm, das rechte und das linke Bein sowie den Körper folgen zu lassen (jeder Körperteil 5-6 Mal der formelhafte Satz). Ich beschränke mich bei der folgenden Anleitung zunächst der Einfachheit halber auf die traditionelle Art und den rechten Arm. Wenn Sie Linkshänder sind, nehmen Sie gerne den linken Arm, wenn das für Sie leichter ist.
Üben Sie 2 bis 3 Mal täglich. Besonders zu Anfang dauert das Üben nur wenige Minuten!
Praktizieren Sie jede Stufe mindestens eine Woche lang, bevor Sie zur nächsten Übung übergehen.
Geeigneter Platz und Körperhaltung
Besonders zu Beginn sollten Sie immer einen möglichst ruhigen Ort aufsuchen, an dem Sie nicht gestört werden. Sagen Sie Mitbewohnern, Arbeitskollegen usw. Bescheid, dass Sie ihre Ruhe haben möchten, und schalten Sie das Telefon stumm. Vielleicht hängen Sie zusätzlich ein Schild an die Türe, dass Sie die nächsten 5 – 10 – 15 Minuten in Ruhe gelassen werden möchten.
Sie können das autogene Training im Liegen oder im Sitzen machen. Wenn Sie liegen wollen, legen Sie sich auf den Rücken, die Hände links und rechts neben dem Körper, bequem auf der Unterlage. Die Unterlage sollte nicht zu hart und nicht zu weich sein; eine normale Matratze von durchschnittlichem Härtegrad ist willkommen.
Im Sitzen sollten Sie darauf achten, dass Ihre Brust und Ihr Bauch frei atmen können. Die alte „Droschkenkutscher-Haltung“ mit nach vorne zusammengesacktem Oberkörper ist passé!
Sitzen Sie entweder gut aufrecht, mit aufgerichteter Wirbelsäule oder mit dem Rücken angelehnt. Auch ein bequemer Sessel ist in Ordnung, solange Brust und Bauch frei und offen atmen können.
Lockern Sie gegebenenfalls Ihren Gürtel.
1. Ruhe und Schwereübung
Suchen Sie sich einen angenehmen Platz, an dem Sie entweder bequem aufrecht sitzen können oder liegen. Sorgen Sie dafür, dass Sie während des Übens Ihre Ruhe haben. Beginnen Sie mit der Ruheübung. Sprechen Sie 5-6 Mal ruhig den Satz „Ich bin vollkommen ruhig (und entspannt)“. Erinnern Sie sich daran, wie es sich anfühlt, ruhig und entspannt zu sein. Stellen Sie sich mit jedem Wort vor, dass Sie Ruhe und Entspannung wirklich fühlen.
Lassen Sie dann die Schwereübung folgen. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf den rechten Arm und fühlen Sie ihn ganz bewusst. Wie fühlt er sich an? Spüren Sie wie und wo er die Unterlage berührt, oder vielleicht ihre Oberschenkel?
Beginnen Sie dann mit der Suggestion: „Mein rechter Arm ist ganz schwer.“
Wiederholen Sie diesen Satz 5-6 Mal und erinnern Sie sich dabei, wie sich ein schwerer Arm anfühlt. Stellen Sie sich vor, wie schwer ein Arm sein kann, wenn er eingeschlafen ist. Stellen Sie sich vor, wie es sich anfühlen würde, wenn der Arm aus Blei wäre oder etwas anderem Schweren, was Sie unterstützt. Sie können auch damit experimentieren, wenn Sie sich zum Beispiel sagen: „Mein rechter Arm ist angenehm schwer wie Blei.“ Metaphern und Rückgriffe auf frühere eigene Erfahrungen sind immer wirkungsvoller als reine Worte! Wenn Sie nicht sofort ein Gefühl von Schwere wahrnehmen, ist das völlig okay. Fahren Sie einfach mit der Übung fort.
Fügen Sie nach jeder Runde (5-6 Mal) 1 Mal den Satz für Ruhe ein: „Ich bin vollkommen ruhig (und entspannt).“ Wiederholen Sie die Übung 3 Mal. Sie können die Sätze auch mit dem Rhythmus des Atems verbinden, indem Sie jeden Satz mit dem Ausatmen sprechen.
Nutzen Sie die Erinnerung an eigene Erfahrungen sowie hilfreiche Metaphern und Analogien!
BEENDIGUNG
Anschließend ballen Sie einige Male die Faust, beugen und strecken die Arme und atmen tief ein und aus. Dann sagen Sie sich: „Augen auf, Arm vollkommen normal. Hellwach und zurück im Hier und Jetzt!“
Hier ein Beispiel
DIE ERSTE WOCHE
1. Ich bin vollkommen ruhig und entspannt (5-6 Mal).
2. Mein rechter Arm ist ganz schwer (5-6 Mal).
3. Ich bin vollkommen ruhig und entspannt (1 Mal).
***
2. und 3. noch zwei Mal wiederholen:
Mein rechter Arm ist ganz schwer (5-6 Mal).
Ich bin vollkommen ruhig und entspannt (1 Mal).
Mein rechter Arm ist ganz schwer (5-6 Mal)
Ich bin vollkommen ruhig und entspannt (1 Mal).
***
Anschließend ballen Sie einige Male die Faust, beugen und strecken die Arme und atmen tief ein und aus. Dann sagen Sie sich: „Augen auf, Arm vollkommen normal. Hellwach und zurück im Hier und Jetzt!“
Haben Sie das Grundprinzip verstanden? Prima!
2. Wärmeübung
Nach einer Woche täglichen Übens fügen Sie die Wärmeübung hinzu. Übereilen Sie nichts! Langsamer ist o schneller! Gehen Sie wirklich Schritt für Schritt vor und lassen Sie sich Zeit. Auch bei dieser Übung kann es hilfreich sein, wenn Sie sich deutlich an Situationen zu erinnern, als Sie wirklich warme Arme oder Hände gefühlt haben und sich solche Erinnerungen wachzurufen. Oder auch nach hilfreichen Analogien und Metaphern zu suchen, zum Beispiel: Warm wie Badewasser, warm wie eine Heizung und so weiter. Diese Hinweise können Sie auch bei allen übrigen Übungen benutzen!
Beginnen Sie, mit den folgenden Übungen, indem Sie 1 Mal den Ruhesatz sagen und spüren Sie die beginnende Ruhe.
Machen Sie dann mit der Schwereübung weiter, wie bereits praktiziert. Dann fügen Sie die Wärmeübung auf die gleiche Weise hinzu.
DIE GANZE ÜBUNG SIEHT ALSO JETZT FOLGENDERMASSEN AUS
(Schwereübung – 3 Durchgänge)
Ich bin vollkommen ruhig und entspannt (1 Mal).
Mein rechter Arm ist ganz schwer (5-6 Mal).
Ich bin vollkommen ruhig und entspannt (1 Mal).
Mein rechter Arm ist ganz schwer (5-6 Mal).
Ich bin vollkommen ruhig und entspannt (1 Mal).
Mein rechter Arm ist ganz schwer (5-6 Mal).
Ich bin vollkommen ruhig und entspannt (1 Mal).
(Wärmeübung – 3 Durchgänge)
Mein rechter Arm ist ganz warm (5-6 Mal).
Ich bin vollkommen ruhig und entspannt (1 Mal).
Mein rechter Arm ist ganz warm (5-6 Mal).
Ich bin vollkommen ruhig und entspannt (1 Mal).
Mein rechter Arm ist ganz warm (5-6 Mal).
Ich bin vollkommen ruhig und entspannt (1 Mal).
BEENDIGUNG
Faust machen, Arme beugen und strecken, tief ein- und ausatmen. „Augen auf, Arm vollkommen normal. Hellwach und zurück im Hier und Jetzt!“
Üben Sie dies wieder täglich 2-3 Mal, eine Woche lang.
ALTERNATIVE
Wie in der Einführung bereits erwähnt ist es auch möglich, die Schwere- und Wärmeübung nicht nur für den rechten Arm sondern auch für den linken Arm, das rechte und das linke Bein, und den ganzen Körper zu machen. Wenn Sie mögen, experimentieren Sie doch einfach mal damit, was bei Ihnen am besten klappt. Statt drei Mal nacheinander den gleichen Arm, können Sie dann mit jedem Körperteil die jeweilige Übung 5-6 Mal wiederholen.
Hier ein Beispiel für die Schwereübung
Ich bin vollkommen ruhig und entspannt (5-6 Mal).
Mein rechter Arm ist ganz schwer (5-6 Mal).
Ich bin vollkommen ruhig und entspannt (1 Mal).
Mein linker Arm ist ganz schwer (5-6 Mal).
Ich bin vollkommen ruhig und entspannt (1 Mal).
Mein rechtes Bein ist ganz schwer (5-6 Mal).
Ich bin vollkommen ruhig und entspannt (1 Mal).
Mein rechtes Bein ist ganz schwer (5-6 Mal).
Ich bin vollkommen ruhig und entspannt (1 Mal).
Mein ganzer Körper ist ganz schwer (5-6 Mal).
3. Atemübung
Dann ist es Zeit, die Atemübung hinzuzufügen. Üben Sie dies auch eine Woche lang regelmäßig, bevor Sie zur nächsten Übung übergehen. Das Vorgehen ist wieder das Gleiche. Der suggestive Satz, den Sie sich sagen ist: „(Mein) Atem geht (ganz) ruhig und gleichmäßig.“
Machen Sie mit diesem Teil 3 Durchgänge, je 5-6 Mal. Alle vorigen Übungen machen Sie nur noch ein Mal (5-6 Mal den jeweiligen Satz).
HIER NOCH EINMAL EIN BEISPIEL, WIE DIE GESAMTE ÜBUNG BIS HIERHIN AUSSIEHT
(Schwereübung – 1 Durchgang)
Ich bin vollkommen ruhig und entspannt (1 Mal).
Mein rechter Arm ist ganz schwer (5-6 Mal).
Ich bin vollkommen ruhig und entspannt (1 Mal).
(Wärmeübung – 1 Durchgang)
Mein rechter Arm ist ganz warm (5-6 Mal).
Ich bin vollkommen ruhig und entspannt (1 Mal).
(Atemübung – 3 Durchgänge)
(Mein) Atem geht (ganz) ruhig und gleichmäßig (5-6 Mal).
Ich bin vollkommen ruhig und entspannt (1 Mal).
(Mein) Atem geht (ganz) ruhig und gleichmäßig (5-6 Mal).
Ich bin vollkommen ruhig und entspannt (1 Mal).
(Mein) Atem geht (ganz) ruhig und gleichmäßig (5-6 Mal).
Ich bin vollkommen ruhig und entspannt (1 Mal).
BEENDEN
Faust machen, Arme beugen und strecken, tief ein- und ausatmen. „Augen auf, Arm vollkommen normal. Hellwach und zurück im Hier und Jetzt!“
DIE WEITEREN ÜBUNGEN
Bauen Sie so Ihr Training Woche für Woche auf. Nehmen Sie als nächsten Schritt die
Herzübung hinzu mit dem Satz: „Mein Herz schlägt (ganz) ruhig und regelmäßig.“
Dann das Sonnengeflecht:
„Mein Sonnengeflecht (mein Bauch, mein Leib) ist strömend warm.“ Und schließlich die Stirn: „Meine Stirn ist angenehm kühl.“ Der Ablauf folgt wie in obigen Beispielen, wo- bei Sie jeweils die neuste Übung 3 Mal machen, die älteren nur ein Mal.
Sobald Sie ausreichend Übung haben – das geht bei manchen Menschen schneller, bei anderen etwas langsamer – sind Sie an dem Punkt, an dem Sie jeden Satz nur noch einmal in Gedanken sprechen.
Nehmen Sie sich Zeit! Üben Sie regelmäßig, und gehen Sie erst zur nächsten Übung über, wenn Sie die vorigen einigermaßen beherrschen!
Hinweise zu Störungen
Störende Geräusche oder Gedanken lassen sich nie ganz ausschließen. Wie also damit umgehen? Wahrscheinlich kennen Sie das bereits aus anderen Bereichen: Je mehr Sie sich gegen störende Dinge auflehnen oder darüber ärgern, desto schlimmer wird es. Viel wirksamer ist es, störende Einflüsse suggestiv in die Übung zu verweben.
Hier einige Beispiele
„Andere würden sich jetzt vielleicht darüber aufregen, aber ich fahre einfach fort mit meiner Übung ... Mein rechter Arm ist ganz schwer ...“
„Das mich das so sehr beschäftigt und ablenkt, zeigt umso mehr, wie nötig ich diese Zeit für mich habe, und deshalb fahre ich einfach mit der Übung fort ...“
„Dieses Rauschen des Verkehrs auf der Straße ist wie das Meeresrauschen während des letzten Urlaubs, und je mehr es rauscht, desto leichter entspanne ich mich ...“
Und so weiter. Üben Sie mit der Haltung: Egal, was geschieht, ich bin mal neugierig, was mir dann Intelligentes und Hilfreiches einfällt, um das in die Übung zu verweben!“ Auf diese Weise können störende Einflüsse die Übung sogar noch vertiefen!
Verweben Sie innere oder äußere Störungen auf sinnvolle Weise mit Ihren Übungen!
Formelhafte Vorsätze, Einladungen für die Gesundheit
Sobald Sie alle sieben Stufen einigermaßen gemeistert haben, können Sie beginnen, sich hilfreiche Suggestionen für Ihre Gesundheit oder andere Bereiche Ihres Lebens zu geben. Diese können folgendermaßen eingebaut werden:
Nach jedem Satz „Ich bin vollkommen ruhig“, fügen Sie eine einfache Suggestion mit Ihrem Ziel ein, zum Beispiel:
„Ich bin vollkommen gesund und leistungsfähig“ oder „Ich überwinde diese Krise auf optimale Weise“ oder „Heilung und Gesundheit breitet sich aus, mit jedem Atemzug“ usw.
Hinsichtlich der Gesundheit habe ich zum Beispiel bei beginnenden Infekten gute Erfahrungen damit gemacht, als Suggestion einfach das Wort „Gesundheit“ einfließen zu lassen.
Wenn Sie selbst Suggestionen für sich erfinden, achten Sie auf Folgendes: Die Sätze sollten möglichst kurz und prägnant sein. Sie sollten positiv ausgedrückt werden („Ich bin gesund“ oder „Ich werde/bleibe mit Leichtigeit gesund“, anstelle von „Ich werde nicht krank“). Drücken Sie sich bevorzugt in der Gegenwart aus.
Nun viel Erfolg beim Üben und Praktizieren des Autogenen Trainings. Und vielleicht erinnern Sie sich daran, Erich Käst- ner sagte bereits: „Es gibt nichts gutes außer man tut es!“
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